• Kontemplatives Gebet


      Was ist Kontemplation?

      Eine gewordene Theologie als Beschaulichkeit

      Erfahrung braucht gelebtes Leben und seine Reflexion. Ein wahrhaft Geistlicher müsste sein Leben rückwärts leben und bei seiner Geburt herauskommen. Wir wissen: das geht nicht. Und dennoch geht es nicht anders. Das Chronologische hindert den Logos und dennoch gibt es keinen anderen Ablauf und kein Bewusstsein außerhalb der Polarität und gerade die verhindert die Beschaulichkeit, weil sie Entscheidung fordert anstelle von Betrachtung. Mir ist in meinem Leben als Theologe, als Gemeindepfarrer etwas anderes geschehen und ich habe es nicht aufgeschrieben oder aufgemalt, obwohl ich viel geschrieben und einiges gemalt habe, ich habe irgendwann bemerkt, dass ich dabei bin, gemeint bin mit meinem Leben und meinen Lebensbegegnungen und das Besondere daran war, dass ich es dargestellt habe, nicht mit dem Ziel es dargestellt zu haben, sondern mit dem Ergebnis, das jedem Ziel vorausgegeben ist und wie eine unbekannte Größe immer schon dabei war und mitgegangen ist, bis es zu den Ereignissen kam, die das Unbekannte in die Darstellung geführt haben und im Betrachten ein Geheimnis geworden sind, das aber betrachtet werden kann. Die theoretischen Worte dazu entleihe ich dem Denken eines Mystikers in der Mitte des letzten Jahrhunderts, Thomas Merton. Zu einer Zeit, da meine theologische Ausbildung gerade begann und den Aufbruch der 70iger Jahre vollzog. Das Wahrnehmen und Fruchtbarmachen der Wissenschaften neben der Theologie für die Theologie waren die Prägungen meiner theologischen Ausbildung, als man offensichtlich jenseits des Atlantiks, von uns unbemerkt und wenn, dann übersehen, bereits eine Theologie betrieb, die wir nach Karl Barth und Rudolf  Bultmann u.a. nicht für beachtenswert hielten, eine andere Entwicklung theologischen Denkens kam allmählich aus Japan herüber, die kaum eine Rezension fand, Kitamori, die Theologie des Schmerzes Gottes. Beides für mich sehr prägende Denkansätze, aber das habe ich erst viel später über einander gebracht. 

      Kontemplation

      Zunächst einmal ist sie ein Begriff aus dem spirituellen Denken der Theologie, speziell der Mystik und wird mit „Beschauung“ übersetzt. Im Zusammenhang betrachtet ist der Begriff der Kontemplation die Zielsetzung eines „beschaulichen Lebens“. Und genau dieses ist ein im tiefen Wandel befindlicher Begriff. Nicht die intendierte Ruhe erklärt die Beschaulichkeit, sondern die Kontemplation umfasst zwei Bewusstheitsebenen: Zum Einen das Gewahrwerden des in unserem eigenen endlichen Sein angelegten unendlichen Seins, das heißt: Unsere Wirklichkeit ist Geschenk von Gott, Berührung Gottes mit unserem Leben und zum Zweiten ist sie unsere Antwort, unsere Mitarbeit darauf.

      Es geht um die religiöse Wahrnehmung Gottes mittels meines Lebens in Gott.

      „Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen sind Söhne (und Töchter) Gottes“ (Röm. 8, 14.16)

      „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht Kinder Gottes zu werden“ (Joh. 1, 12)

      Sie ist nicht etwas, das wir von uns aus erreichen könnten, wenn wir uns nur anstrengen, sie bleibt Geschenk Gottes, der in seiner Barmherzigkeit sein verborgenes und geheimnisvolles Schöpfungswerk in uns vollendet.

      Die Kontemplation ist die Bewusstheit und Wahrnehmung, ja in gewissem Sinn Erfahrung dessen, was jeder Christ  mit Galater 2, 20 sagen könnte: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“

      Kontemplation ist die Betrachtung der Wahrheiten, mittels derer die Liebe Gewissheit gewinnt, dass Gott kreativ und dynamisch in unser Alltagsleben eingreift.

      „Gott ist kein Was“, kein „Etwas“. Genau das ist eines der wesentlichen Merkmale der kontemplativen Erfahrung. Man sieht dabei dass es kein „Was“ gibt, das sich „Gott“ nennen lässt.

      Es gibt nicht „so etwas“ wie Gott, denn Gott ist weder ein „Was“ noch „etwas“, sondern reines „Wer“. Er ist das „Du“, vor dem unser innerstes „Ich“ in die Bewusstheit springt.

      Er ist der Ich Bin, vor dem wir mit unserer eigenen allerpersönlichsten und unverkennbaren Stimme als Echo unser „Ich bin“ rufen.

      Also: Theologie als Verortung spiritueller Praxis (Lebenserfahrung). Und: Spiritualität als Kategorie im Kontext biblischer und persönlich gelebter Erfahrung in unseren Menschengeschichten.

      Theologie nicht als systematische Vorstellung von der Natur Gottes, dem Wesen Gottes, sondern eine konkrete, auf der Liebe beruhende Intuition Gottes als Person, als Maske der Liebe und nicht eine Natur oder ein Gegenstand von Sehnsucht, das sich theologisch ausdrücken ließe.

      Jeder Augenblick und jedes Ereignis im Leben eines jeden Menschen auf Erden sät etwas in seine Seele.

      Das ist die Vorstellung, die Jesus im Gleichnis vom Sämann bezeichnet als: „Der Samen ist das Wort Gottes“ (Lk. 8, 11)

      Die   Bedingung für die Aufnahme des Samens liegen auf der anderen Seite der Wirklichkeit, auf unserer Seite und die bedarf der Bearbeitung, der Vorbereitung, der Bereitschaft, die es zu erstreben gilt.

      Die Vorbereitung des Ackers korrespondiert mit der Erwartung des Ereignisses, das den vorbereiteten Acker braucht. Die Widrigkeiten unserer weltlichen und menschlichen Gegebenheiten sind im Tun Gottes bereits eingepreist, durch das nahezu verschwenderische Fruchtbringen dessen, was uns übrig bleibt.

      Theologie als Spiritualität ist keine Lesefrucht, sondern eine ins Bewusstsein gebrachte Lebensfrucht. Poesie, Kunst und alles über mich hinausweisende Tun, das letztlich auf mich hinweist und ins reflektierte Sein des Geschöpfes vor seinen Schöpfer trägt, ist Ausdruck der Kontemplation, ist Gewahrwerden der Begegnung mit Gott.

      Die Darstellung eines Pflugs als Lesepult für den Ort des Gottesdienstes ist ein kontemplatives Geschehen. Das Reden an diesem Ort kann sich dem Gewahrwerden und Antwortgeben des Ich Bin nicht wirklich entziehen und ist Dialog im Angesicht derer, die Zeuge des Dialogs sind und damit selbst Teil des dialogischen Geschehens werden.

      Die Darstellung des Kirchenraumes in unseren beiden Kirchen (Kirchenbollenbach und Dickesbach) sind kontemplative Zugänge, sind Zugänge des Gebets für die Darstellung eines Raumes, der das Gebet dadurch befördert, dass er selbst Darstellung des Gebets ist.

      Ausgehend von der Ausführung Thomas Mertons „Christliche Kontemplation, Ein radikaler Weg der Gottessuche“ hat sich hier eine Darstellung ereignet, deren Zeuge ich bin und die mein „Ich Bin“ mir bezeugt. Die Gegenwärtigkeit an diesen Orten ist heilsame Begegnung, weil sie an heilsame Begegnung erinnert und diese Begegnung zur Darstellung gebracht, immer wieder neu reflektiert.

      Ausgehend von den fossilen Engeln des Dieter Brembs, die in sieben Darstellungen (unter Einbeziehung der Kanzel) in acht (7+1) Darstellungen dem Betrachter keine wirkliche Perspektive anbieten, außer der, selbst die Perspektive der Darstellungen zu sein, sind die Kirchenräume selbst eine kontemplative Anschauung, also eine Schau des zu Sehenden und damit Verkündigung, die nur noch den Betrachter braucht und seine Lebensfragen, um ihm Antwort zu sein.

      Ist das Wort überflüssig?

      Es stört nicht, wenn es nicht gesagt wird, um verstanden zu werden, sondern um sich zu ereignen. Die Gegenwärtigkeit ist das Ziel, die Gleichzeitigkeit ihr Mittel und die Ewigkeit die Erfahrung.


      Der ORT unserer Wirklichkeit ist der Ort der gefallenen Schöpfung, ist die Welt in ihren Gegensätzen, das Denken in Polarität, die in aller Scheidung vom Herkommen von Gott, (Vertreibung aus dem Paradies) Entscheidung fordert, also Einswerden mit dem Hinkommen zum Herkommen in Gott.

      Der „Zorn Gottes“ und die „Liebe Gottes“ sind die theologische Polarität, die vorausgesetzt werden muss, um in unserer Wirklichkeit verstanden werden zu können.

      Im Leben Jesu, an den Ort unserer Welt gebunden, wird ein Begriff der „Liebe Gottes“ reifen, der die Polarität zum Ausgangspunkt hat und in der Polarität verstanden werden kann und die Gegensätzlichkeit überwindet, ohne sie außer Acht zu lassen, um dann an diesem Ort gelebt werden zu können.

      Kazoh Kitamori: Theologie des Schmerzes Gottes (Jer. 31, 20;  Jes. 63, 15)

      Das Buch „Theologie des Schmerzes Gottes“ stammt aus dem Jahr 1946 in Japan. Erst 1972 erschien es ins Englische und Deutsche übersetzt bei uns.

      Inmitten der Zeit, da sich theologische Veröffentlichung aus dieser Zeit bei uns mit der Fruchtbarmachung von soziologischen, pädagogischen und rhetorischen Fragestellungen in der praktischen Theologie beschäftigten, während die systematische Theologie dialektische und entmythologisierende Fragestellungen behandelte also eine Denkgeschichte von über  50 Jahren im Kochtopf hatten.

      Anders in der japanischen Theologie, die am Rande der Wahrnehmung unserer Wissenschaft, ein spezifisches Gegengewicht entwickelte, weil sie eine andere Entwicklungsgeschichte hatte.

      Kitamori postuliert: „Der Wille Gottes, den Gegenstand seines Zornes zu lieben – das ist der Schmerz Gottes. Der Gott, der den Sünder dem Tod überantworten muss, streitet mit dem Gott, der den Sünder liebt.

      Einerseits zürnt Gott mit den sündigen Menschen; andererseits liebt er sie.

      Beide Sätze scheinen unmöglich vereinbar und trotzdem sind beide Sätze wahr. Die Spannung, die zwischen Gottes Zorn und Gottes Liebe entsteht, kennzeichnet Kitamori mit dem Stichwort „Schmerz Gottes“.

      In der Person Jesu Christi wird der Schmerz Gottes nun für die Menschen zur konkret erfahrbaren Wirklichkeit. Gottes Schmerz bleibt nicht eine abstrakte Idee in der geistigen Welt, sondern er nimmt im geschichtlichen Jesus Gestalt an: „Wirklichkeit des Schmerzes Gottes in der Person Jesus Christus.“

      Im Kreuz Jesu Christi sieht Kitamori die Gleichzeitigkeit von Gottes Zorn gegen den Sünder uns Gottes Liebe für denselben auf die Spitze getrieben, an den Ort gebracht, sodass der Gott, der als Vater seinen Sohn sterben lässt … in solchem Handeln Schmerz erleidet. Zorn und Liebe Gottes vereinigen sich im Kreuz, das ist der Schmerz Gottes.

      Durch das Kreuz verursacht Jesus aber auch Vergebung der Sünde für den Menschen. „Der Schmerz Gottes ist konkret gesagt die Vergebung der Sünde.“(S. 37)

      „Der Schmerz Gottes muss eine von der Liebe Gottes verschiedene Wirklichkeit: der Schmerz Gottes ist die Liebe zu dem, der schon einmal der Liebe Gottes widersprochen hat. Der Schmerz Gottes liegt in einer höheren Dimension als die Liebe Gottes, indem der die unmittelbare Liebe  Gottes als sein verneinendes Vermittlungsmoment in sich selbst aufgehoben hat. Gerade deshalb kann der „Schmerz Gottes“ das Zeugnis für die Liebe des Kreuzes sein. Das Wesen der Liebe des Kreuzes besteht in der Liebe Gottes, die dem geschenkt wird, der bereits einmal der Liebe Gottes widersprochen hat.“(S.157)

      Die innere Struktur des Jeremiabuches

      Von Anfang bis Ende kündet Jeremia nur den „Zorn Gottes“ an. - bis auf Kapitel 31, 20. Nur in Jer. 31 ist der Zorn Gottes völlig verschwunden, und statt dessen tritt allein die Herrschaft der Liebe hervor.

      Nach einer 40 Jahre währenden Prophetentätigkeit des Jeremia wird erst hier verkündigt, dass der Zorn Gottes völlig durch die Liebe Gottes überwunden ist.

      Nach der Ankündigung des „Schmerzes Gottes“ hören wir jetzt die wunderbare Ankündigung der Wahrheit, die man den höchsten Gipfel der alttestamentlichen Religion nennt, nämlich die Wahrheit des Neuen Bundes (Jer. 31, 31ff)

      Hat aber nicht dieser Neue Bund den Schmerz Gottes zu seiner Voraussetzung?

      Ja, gerade der Neue Bund ist nichts anderes, als der konkrete Ausdruck der „im Schmerz begründeten Liebe Gottes. Also: Der Mensch kann der unmittelbaren Liebe Gottes widersprechen. Aber man kann der Liebe Gottes, die dem dieser Liebe widersprechenden Menschen geschenkt wird, dem „Schmerz Gottes“ nämlich, nicht widersprechen.

      Im Schmerz Gottes überwindet Gott den Menschen völlig. In diesem Sinn ist der Schmerz Gottes gleichzeitig die „Liebe Gottes“.

      So kann man die innere Struktur des ganzes Jeremiabuches, dessen Gipfel der Neue Bund ist, mit einem Wort zusammenfassen: „Die im Schmerz begründete Liebe Gottes.“

      Symbol und Wirklichkeit verschmelzen. Das Außerhalb und das Innere der Welt stützen einander. Jesus Christus ist die persona des Schmerzes Gottes.

      Weil der Schmerz gleichzeitig die Liebe ist, darf der, der den Schmerz Gottes gesehen hat, weiterleben, ohne zu sterben.

      Im Schmerz wird die Illusion dieser Welt wirklich.

      Unterschiedlich im Charakter (Gott, Mensch), aber eins in der Sache.

      Die Wirklichkeit im Gewand der Illusion ist hergestellt, die Welt hat ihre Funktion den Himmel darzustellen erreicht, das ist die zweite Schöpfung in Christus.

      Der Schmerz des Menschen ist ganz einfach Finsternis.

      Der Schmerz Gottes ist auch Finsternis, aber dargestellt im Menschen Jesus Christus, der Person des Schmerzes Gottes, wird in die Finsternis das Licht geboren aus Finsternis und in die Finsternis hinein.

      Im Anfang

      war das Wort,

      und das Wort war bei Gott,

      und Gott war das Wort.

       

      Dasselbe war im Anfang bei Gott.

      Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht,

      und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

       

      In Ihm

      war das Leben,

      und das Leben war das Licht der Menschen.

      Und das Licht scheint in der Finsternis

      und die Finsternis hat´s nicht ergriffen.

       

      Im Schmerz wird die Wahrheit Gottes Wirklichkeit des Menschen  und die Wirklichkeit des Menschen zur Wahrheit Gottes.


      Kontemplatives Gebet


      Was ist Kontemplation?

      Eine gewordene Theologie als Beschaulichkeit

      Erfahrung braucht gelebtes Leben und seine Reflexion. Ein wahrhaft Geistlicher müsste sein Leben rückwärts leben und bei seiner Geburt herauskommen. Wir wissen: das geht nicht. Und dennoch geht es nicht anders. Das Chronologische hindert den Logos und dennoch gibt es keinen anderen Ablauf und kein Bewusstsein außerhalb der Polarität und gerade die verhindert die Beschaulichkeit, weil sie Entscheidung fordert anstelle von Betrachtung. Mir ist in meinem Leben als Theologe, als Gemeindepfarrer etwas anderes geschehen und ich habe es nicht aufgeschrieben oder aufgemalt, obwohl ich viel geschrieben und einiges gemalt habe, ich habe irgendwann bemerkt, dass ich dabei bin, gemeint bin mit meinem Leben und meinen Lebensbegegnungen und das Besondere daran war, dass ich es dargestellt habe, nicht mit dem Ziel es dargestellt zu haben, sondern mit dem Ergebnis, das jedem Ziel vorausgegeben ist und wie eine unbekannte Größe immer schon dabei war und mitgegangen ist, bis es zu den Ereignissen kam, die das Unbekannte in die Darstellung geführt haben und im Betrachten ein Geheimnis geworden sind, das aber betrachtet werden kann. Die theoretischen Worte dazu entleihe ich dem Denken eines Mystikers in der Mitte des letzten Jahrhunderts, Thomas Merton. Zu einer Zeit, da meine theologische Ausbildung gerade begann und den Aufbruch der 70iger Jahre vollzog. Das Wahrnehmen und Fruchtbarmachen der Wissenschaften neben der Theologie für die Theologie waren die Prägungen meiner theologischen Ausbildung, als man offensichtlich jenseits des Atlantiks, von uns unbemerkt und wenn, dann übersehen, bereits eine Theologie betrieb, die wir nach Karl Barth und Rudolf  Bultmann u.a. nicht für beachtenswert hielten, eine andere Entwicklung theologischen Denkens kam allmählich aus Japan herüber, die kaum eine Rezension fand, Kitamori, die Theologie des Schmerzes Gottes. Beides für mich sehr prägende Denkansätze, aber das habe ich erst viel später über einander gebracht. 

      Kontemplation

      Zunächst einmal ist sie ein Begriff aus dem spirituellen Denken der Theologie, speziell der Mystik und wird mit „Beschauung“ übersetzt. Im Zusammenhang betrachtet ist der Begriff der Kontemplation die Zielsetzung eines „beschaulichen Lebens“. Und genau dieses ist ein im tiefen Wandel befindlicher Begriff. Nicht die intendierte Ruhe erklärt die Beschaulichkeit, sondern die Kontemplation umfasst zwei Bewusstheitsebenen: Zum Einen das Gewahrwerden des in unserem eigenen endlichen Sein angelegten unendlichen Seins, das heißt: Unsere Wirklichkeit ist Geschenk von Gott, Berührung Gottes mit unserem Leben und zum Zweiten ist sie unsere Antwort, unsere Mitarbeit darauf.

      Es geht um die religiöse Wahrnehmung Gottes mittels meines Lebens in Gott.

      „Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen sind Söhne (und Töchter) Gottes“ (Röm. 8, 14.16)

      „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht Kinder Gottes zu werden“ (Joh. 1, 12)

      Sie ist nicht etwas, das wir von uns aus erreichen könnten, wenn wir uns nur anstrengen, sie bleibt Geschenk Gottes, der in seiner Barmherzigkeit sein verborgenes und geheimnisvolles Schöpfungswerk in uns vollendet.

      Die Kontemplation ist die Bewusstheit und Wahrnehmung, ja in gewissem Sinn Erfahrung dessen, was jeder Christ  mit Galater 2, 20 sagen könnte: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“

      Kontemplation ist die Betrachtung der Wahrheiten, mittels derer die Liebe Gewissheit gewinnt, dass Gott kreativ und dynamisch in unser Alltagsleben eingreift.

      „Gott ist kein Was“, kein „Etwas“. Genau das ist eines der wesentlichen Merkmale der kontemplativen Erfahrung. Man sieht dabei dass es kein „Was“ gibt, das sich „Gott“ nennen lässt.

      Es gibt nicht „so etwas“ wie Gott, denn Gott ist weder ein „Was“ noch „etwas“, sondern reines „Wer“. Er ist das „Du“, vor dem unser innerstes „Ich“ in die Bewusstheit springt.

      Er ist der Ich Bin, vor dem wir mit unserer eigenen allerpersönlichsten und unverkennbaren Stimme als Echo unser „Ich bin“ rufen.

      Also: Theologie als Verortung spiritueller Praxis (Lebenserfahrung). Und: Spiritualität als Kategorie im Kontext biblischer und persönlich gelebter Erfahrung in unseren Menschengeschichten.

      Theologie nicht als systematische Vorstellung von der Natur Gottes, dem Wesen Gottes, sondern eine konkrete, auf der Liebe beruhende Intuition Gottes als Person, als Maske der Liebe und nicht eine Natur oder ein Gegenstand von Sehnsucht, das sich theologisch ausdrücken ließe.

      Jeder Augenblick und jedes Ereignis im Leben eines jeden Menschen auf Erden sät etwas in seine Seele.

      Das ist die Vorstellung, die Jesus im Gleichnis vom Sämann bezeichnet als: „Der Samen ist das Wort Gottes“ (Lk. 8, 11)

      Die   Bedingung für die Aufnahme des Samens liegen auf der anderen Seite der Wirklichkeit, auf unserer Seite und die bedarf der Bearbeitung, der Vorbereitung, der Bereitschaft, die es zu erstreben gilt.

      Die Vorbereitung des Ackers korrespondiert mit der Erwartung des Ereignisses, das den vorbereiteten Acker braucht. Die Widrigkeiten unserer weltlichen und menschlichen Gegebenheiten sind im Tun Gottes bereits eingepreist, durch das nahezu verschwenderische Fruchtbringen dessen, was uns übrig bleibt.

      Theologie als Spiritualität ist keine Lesefrucht, sondern eine ins Bewusstsein gebrachte Lebensfrucht. Poesie, Kunst und alles über mich hinausweisende Tun, das letztlich auf mich hinweist und ins reflektierte Sein des Geschöpfes vor seinen Schöpfer trägt, ist Ausdruck der Kontemplation, ist Gewahrwerden der Begegnung mit Gott.

      Die Darstellung eines Pflugs als Lesepult für den Ort des Gottesdienstes ist ein kontemplatives Geschehen. Das Reden an diesem Ort kann sich dem Gewahrwerden und Antwortgeben des Ich Bin nicht wirklich entziehen und ist Dialog im Angesicht derer, die Zeuge des Dialogs sind und damit selbst Teil des dialogischen Geschehens werden.

      Die Darstellung des Kirchenraumes in unseren beiden Kirchen (Kirchenbollenbach und Dickesbach) sind kontemplative Zugänge, sind Zugänge des Gebets für die Darstellung eines Raumes, der das Gebet dadurch befördert, dass er selbst Darstellung des Gebets ist.

      Ausgehend von der Ausführung Thomas Mertons „Christliche Kontemplation, Ein radikaler Weg der Gottessuche“ hat sich hier eine Darstellung ereignet, deren Zeuge ich bin und die mein „Ich Bin“ mir bezeugt. Die Gegenwärtigkeit an diesen Orten ist heilsame Begegnung, weil sie an heilsame Begegnung erinnert und diese Begegnung zur Darstellung gebracht, immer wieder neu reflektiert.

      Ausgehend von den fossilen Engeln des Dieter Brembs, die in sieben Darstellungen (unter Einbeziehung der Kanzel) in acht (7+1) Darstellungen dem Betrachter keine wirkliche Perspektive anbieten, außer der, selbst die Perspektive der Darstellungen zu sein, sind die Kirchenräume selbst eine kontemplative Anschauung, also eine Schau des zu Sehenden und damit Verkündigung, die nur noch den Betrachter braucht und seine Lebensfragen, um ihm Antwort zu sein.

      Ist das Wort überflüssig?

      Es stört nicht, wenn es nicht gesagt wird, um verstanden zu werden, sondern um sich zu ereignen. Die Gegenwärtigkeit ist das Ziel, die Gleichzeitigkeit ihr Mittel und die Ewigkeit die Erfahrung.


      Der ORT unserer Wirklichkeit ist der Ort der gefallenen Schöpfung, ist die Welt in ihren Gegensätzen, das Denken in Polarität, die in aller Scheidung vom Herkommen von Gott, (Vertreibung aus dem Paradies) Entscheidung fordert, also Einswerden mit dem Hinkommen zum Herkommen in Gott.

      Der „Zorn Gottes“ und die „Liebe Gottes“ sind die theologische Polarität, die vorausgesetzt werden muss, um in unserer Wirklichkeit verstanden werden zu können.

      Im Leben Jesu, an den Ort unserer Welt gebunden, wird ein Begriff der „Liebe Gottes“ reifen, der die Polarität zum Ausgangspunkt hat und in der Polarität verstanden werden kann und die Gegensätzlichkeit überwindet, ohne sie außer Acht zu lassen, um dann an diesem Ort gelebt werden zu können.

      Kazoh Kitamori: Theologie des Schmerzes Gottes (Jer. 31, 20;  Jes. 63, 15)

      Das Buch „Theologie des Schmerzes Gottes“ stammt aus dem Jahr 1946 in Japan. Erst 1972 erschien es ins Englische und Deutsche übersetzt bei uns.

      Inmitten der Zeit, da sich theologische Veröffentlichung aus dieser Zeit bei uns mit der Fruchtbarmachung von soziologischen, pädagogischen und rhetorischen Fragestellungen in der praktischen Theologie beschäftigten, während die systematische Theologie dialektische und entmythologisierende Fragestellungen behandelte also eine Denkgeschichte von über  50 Jahren im Kochtopf hatten.

      Anders in der japanischen Theologie, die am Rande der Wahrnehmung unserer Wissenschaft, ein spezifisches Gegengewicht entwickelte, weil sie eine andere Entwicklungsgeschichte hatte.

      Kitamori postuliert: „Der Wille Gottes, den Gegenstand seines Zornes zu lieben – das ist der Schmerz Gottes. Der Gott, der den Sünder dem Tod überantworten muss, streitet mit dem Gott, der den Sünder liebt.

      Einerseits zürnt Gott mit den sündigen Menschen; andererseits liebt er sie.

      Beide Sätze scheinen unmöglich vereinbar und trotzdem sind beide Sätze wahr. Die Spannung, die zwischen Gottes Zorn und Gottes Liebe entsteht, kennzeichnet Kitamori mit dem Stichwort „Schmerz Gottes“.

      In der Person Jesu Christi wird der Schmerz Gottes nun für die Menschen zur konkret erfahrbaren Wirklichkeit. Gottes Schmerz bleibt nicht eine abstrakte Idee in der geistigen Welt, sondern er nimmt im geschichtlichen Jesus Gestalt an: „Wirklichkeit des Schmerzes Gottes in der Person Jesus Christus.“

      Im Kreuz Jesu Christi sieht Kitamori die Gleichzeitigkeit von Gottes Zorn gegen den Sünder uns Gottes Liebe für denselben auf die Spitze getrieben, an den Ort gebracht, sodass der Gott, der als Vater seinen Sohn sterben lässt … in solchem Handeln Schmerz erleidet. Zorn und Liebe Gottes vereinigen sich im Kreuz, das ist der Schmerz Gottes.

      Durch das Kreuz verursacht Jesus aber auch Vergebung der Sünde für den Menschen. „Der Schmerz Gottes ist konkret gesagt die Vergebung der Sünde.“(S. 37)

      „Der Schmerz Gottes muss eine von der Liebe Gottes verschiedene Wirklichkeit: der Schmerz Gottes ist die Liebe zu dem, der schon einmal der Liebe Gottes widersprochen hat. Der Schmerz Gottes liegt in einer höheren Dimension als die Liebe Gottes, indem der die unmittelbare Liebe  Gottes als sein verneinendes Vermittlungsmoment in sich selbst aufgehoben hat. Gerade deshalb kann der „Schmerz Gottes“ das Zeugnis für die Liebe des Kreuzes sein. Das Wesen der Liebe des Kreuzes besteht in der Liebe Gottes, die dem geschenkt wird, der bereits einmal der Liebe Gottes widersprochen hat.“(S.157)

      Die innere Struktur des Jeremiabuches

      Von Anfang bis Ende kündet Jeremia nur den „Zorn Gottes“ an. - bis auf Kapitel 31, 20. Nur in Jer. 31 ist der Zorn Gottes völlig verschwunden, und statt dessen tritt allein die Herrschaft der Liebe hervor.

      Nach einer 40 Jahre währenden Prophetentätigkeit des Jeremia wird erst hier verkündigt, dass der Zorn Gottes völlig durch die Liebe Gottes überwunden ist.

      Nach der Ankündigung des „Schmerzes Gottes“ hören wir jetzt die wunderbare Ankündigung der Wahrheit, die man den höchsten Gipfel der alttestamentlichen Religion nennt, nämlich die Wahrheit des Neuen Bundes (Jer. 31, 31ff)

      Hat aber nicht dieser Neue Bund den Schmerz Gottes zu seiner Voraussetzung?

      Ja, gerade der Neue Bund ist nichts anderes, als der konkrete Ausdruck der „im Schmerz begründeten Liebe Gottes. Also: Der Mensch kann der unmittelbaren Liebe Gottes widersprechen. Aber man kann der Liebe Gottes, die dem dieser Liebe widersprechenden Menschen geschenkt wird, dem „Schmerz Gottes“ nämlich, nicht widersprechen.

      Im Schmerz Gottes überwindet Gott den Menschen völlig. In diesem Sinn ist der Schmerz Gottes gleichzeitig die „Liebe Gottes“.

      So kann man die innere Struktur des ganzes Jeremiabuches, dessen Gipfel der Neue Bund ist, mit einem Wort zusammenfassen: „Die im Schmerz begründete Liebe Gottes.“

      Symbol und Wirklichkeit verschmelzen. Das Außerhalb und das Innere der Welt stützen einander. Jesus Christus ist die persona des Schmerzes Gottes.

      Weil der Schmerz gleichzeitig die Liebe ist, darf der, der den Schmerz Gottes gesehen hat, weiterleben, ohne zu sterben.

      Im Schmerz wird die Illusion dieser Welt wirklich.

      Unterschiedlich im Charakter (Gott, Mensch), aber eins in der Sache.

      Die Wirklichkeit im Gewand der Illusion ist hergestellt, die Welt hat ihre Funktion den Himmel darzustellen erreicht, das ist die zweite Schöpfung in Christus.

      Der Schmerz des Menschen ist ganz einfach Finsternis.

      Der Schmerz Gottes ist auch Finsternis, aber dargestellt im Menschen Jesus Christus, der Person des Schmerzes Gottes, wird in die Finsternis das Licht geboren aus Finsternis und in die Finsternis hinein.

      Im Anfang

      war das Wort,

      und das Wort war bei Gott,

      und Gott war das Wort.

       

      Dasselbe war im Anfang bei Gott.

      Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht,

      und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

       

      In Ihm

      war das Leben,

      und das Leben war das Licht der Menschen.

      Und das Licht scheint in der Finsternis

      und die Finsternis hat´s nicht ergriffen.

       

      Im Schmerz wird die Wahrheit Gottes Wirklichkeit des Menschen  und die Wirklichkeit des Menschen zur Wahrheit Gottes.